Mahlzeit

Hannes Wader

Ich würde gern, Herr Ober, einen Krabbencocktail essen
Wenn es aber wahr ist, was man so alles hört und liest
Sollte ich das vielleicht am besten gleich vergessen
Schon weil es mir auch irgendwie den Appetit vermiest
Kaum angelandet werde Nordseekrabben schon seit Jahren
In LKWs verladen, nach Marokko transportiert
Dort gepult, dann tief gekühlt wieder zurückgefahren
Oft wochenlang - und hier als frische Ware deklariert
Vorher noch für die sechstausend Kilometer lange Reise
Mit Konservierungschemikalien satt durchtränkt
Vier Millionen Liter Sprit werden im Jahr über die Preise
Dann als Kosten auf mich, den Konsumenten, umgelenkt

Ja, mit alten Gewohnheiten zu brechen
Kannst du versuchen, nicht versprechen
Aber damit geht es dir
So wie den meisten hier

Das Ribeye-Steak aus Argentinien hätt' ich gern genommen
Herr Ober, mürbe abgehangen, medium-rare gegrillt
Merke aber schon, dass mir da gleich Bedenken kommen
Jetzt erscheint vor meinem inn'ren Auge dieses Bild:
Feuerspeiend brennen Milliarden Rinder - Ungeheuer -
Löcher im Minutentakt mit heißem Atem - größer noch
Als Fußballfelder - in die Polarkappen. Wiederkäuer
Würgen jeden Bissen, den sie fressen, viermal wieder hoch
Weil sie vier Mägen haben, wogegen nichts zu sagen wäre
Rülpsten sie dabei nicht noch Mega-Tonnen von Methan
Zu all den Treibhausgasen in die Atmosphäre
Und ich mit meiner Gier nach Fleisch bin auch noch Schuld dran

Ja, mit alten Gewohnheiten zu brechen
Kannst du versuchen, nicht versprechen
Aber damit geht es dir
So wie den meisten hier

Ich könnte jetzt, Herr Ober, auch mal ein Schnitzel essen
Von einer deutschen Sau. Davon gibt's viele und man spricht
Von derzeit dreißig Millionen, und die sollen fressen
Kaum Fett, viel Fleisch ansetzen, und ihr Gesamtgewicht
Ist weit höher als das aller Menschen, die in Deutschland wohnen
Tropenwälder werden täglich abgeholzt, verbrannt
Um dort dann Viehfutter anzupflanzen - Sojabohnen -
Die Ureinwohner, fortgejagt von ihrem eignen Land
Verhungern, atmen Pestizide ein, und ihre Kinder
Erwartet oft ein zu früher und qualvoller Tod
Wir hier mästen uns, unsre Hühner, Schweine, Rinder
Mit Menschenblut gedüngtem, eiweißreichem Sojaschrot

Ja, mit alten Gewohnheiten zu brechen
Kannst du versuchen, nicht versprechen
Aber damit geht es dir
So wie den meisten hier

Vielleicht, Herr Ober, werde ich draußen auf der Terrasse
Einen Espresso trinken, aber auch nur wenn es kein
Produkt von Kinderarbeit ist. Es sollte in der Tasse
Keine guatemaltekische Kaffeemischung drin sein
Die Kinder, die auf den Plantagen Kaffeebohnen ernten
Macht der Lohn für ihre harte Arbeit nicht mal satt
Dazu kommt, es wird für jede Tasse Kaffee aus entfernten
Weltgegenden, bis sie den Weg zu uns gefunden hat
Süßwasser badewannenweise virtuell verschwendet
Beim Bohnentrocknen, -schälen, -waschen, -rösten, bis sie dann
Als belebendes Getränk in meinen Eingeweiden endet
Ich weiß nicht, ob ich darauf verzichten will und kann

Ja, mit alten Gewohnheiten zu brechen
Kannst du versuchen, nicht versprechen
Aber damit geht es dir
So wie den meisten hier

Herr Ober, bitte nur ein Wasser, es ist warm, ich schwitze
Halt, noch ein Wort zum Thema Trinkwasserverbrauch:
Ein T-Shirt herzustellen, wie das, in dem ich hier sitze
Schluckt schon achttausend Liter Wasser, aber manchmal auch
Noch viel mehr. Jetzt sitze ich hier auf der Terrasse
An einem Tisch aus Mahagoni oder Teak gemacht
Aus der sich immer schneller hoch auftürmenden Masse
Tropenholz aus Regenwäldern, wo statt Bäumen über Nacht
Kaffee- und Sojabohnen quasi aus dem Boden schießen
Pardon, ich wiederhole mich, hab alles längst gesagt
Sollte mich selbst ändern, muss mich nur dazu entschließen
Wie schaffe ich es bloß, habe ich mich oft gefragt
Diesem Kreislauf, dieser Falle unauflöslich krasser
Widersprüche, irgendwann für immer zu entgehn?
Fürs Erste geh ich mal nach Hause, trinke Leitungswasser
Esse einen Apfel, morgen werden wir dann weiter sehn
Fürs Erste geh ich mal nach Hause, trinke Leitungswasser
Esse einen Apfel, morgen werden wir dann weiter sehn

Ja, mit alten Gewohnheiten zu brechen
Kannst du versuchen, nicht versprechen
Aber damit geht es dir
So wie den meisten hier
So wie den meisten hier

Curiosités sur la chanson Mahlzeit de Hannes Wader

Quand la chanson “Mahlzeit” a-t-elle été lancée par Hannes Wader?
La chanson Mahlzeit a été lancée en 2012, sur l’album “Nah Dran”.

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