Der Ankündigungskünstler
Mordechai Kaiser war ein Ankündigungskünstler,
davon ließ sich leben.
Im Fernsehen pries er russische Pubertätspianisten,
einbeinige äthiopische Kinder nach der Amputation ohne Betäubung,
hohlwangige Exnationalmannschaftsmittelstürmer, die stotternd
gestanden, wie fett sie früher waren und wieviel sie neuerdings
nicht mehr soffen, aufgeräumte Kabinettsmitglieder
beim Blindekuhspielen mit Mauerschützen und abgetakelte
Paukerfilmschlampen für ihre Tierschutzmonologe
in Schlangenlederstiefeln. SUPER, kreischte Mordechai, SUPER,
und die Bildschirme beulten sich bundesweit aus den Geräten
wie Parkinsonsche Augäpfel, Beifallsgischt schäumte
auf Mordechais Geheiß durch die leergefegten Straßen,
als schlügen die gepeitschten Wellen von Nord- und Ostsee
über Schleswig-Holstein zusammen.
Als Zubrot ertönte Mordechais Stimme in Supermärkten
zugunsten zweifelhafter Nagellacke.
Doch Mordechai war nicht glücklich mit dem,
wofür die Menschen ihn liebten.
Eigene Werke anzukündigen, Werke, die niemals zustandekamen,
danach gelüstete es ihn.
Alle Kinovorschauen, alle Fernsehzeitschriften,
Buchprospekte, Theaterprogramme, alle Litfaßsäulen
und Funkwerbespots, alle Postwurfsendungen und
Sportflugzeugspruchbänder sollten künden von Mordechais Opus Magnum,
von dem er bislang nur Umrisse wußte, schemenhaft scheue,
die sich wieder und wieder im Nebel verduckten,
sich eindrücken ließen, fragil wie sie waren,
von den tauben, tiefhängenden Wolken dieses teilnahmslosen,
ja mißbilligenden Himmels über unserem Land.
Nein, mehr als einen Arbeitstitel,
einen zutiefst fragwürdigen zumal,
hatte Mordechai Kaiser nach nunmehr fünfzehn Jahren des Grübelns
noch nicht vorzuweisen.
Es hatte mit dem riesigen, goldgelben Hund zu tun,
den Mordechai begraben hatte, ein stolzes, freundliches Tier,
das für sein Leben gern Verfaulendes fraß und davon
wuchs und wuchs, das sie vergiftet hatten,
angelockt, getätschelt und vergiftet, eh es sie
verschlingen konnte, all die Schleimwettpisser,
Taumeltrickbetrüger und Kuhaugenausstecher
in Mordechais Adreßbuch.
Nur Mordechai wußte, wo der Hund begraben lag.
Er erzählte es allen, die Wein mit ihm tranken,
aber keiner konnte es behalten.